Energiewende meistern und Kunden
binden
Strategien und Handlungsoptionen für
ein nachhaltiges Kundenmanagement in der Energiewirtschaft
Die Energiewende,
Marktreformen und regulatorische Veränderungen fordern seit Jahren die
Energiewirtschaft zu einem radikalen Umdenken und bestimmen mehr und mehr das
Tagesgeschäft. Die digitale Transformation beschleunigt zudem einen nicht
umkehrbaren Veränderungsprozess, den die Energieversorger versuchen, mit neuen
Geschäftsmodellen und angepassten Geschäftsprozessen zu begegnen. Derweil schüren
volatile Marktpreise die Unsicherheit im Haifischbecken des Commodity Marktes. Und
die Energieversorger werden mit einem gestärkten Kundenbewusstsein
konfrontiert, das sich in einer abnehmenden Loyalität zum Versorger vor Ort
widerspiegelt. Die deutlich gestiegene Wechselbereitschaft der Strom- und
Gaskunden zu einem anderen Anbieter in den letzten Jahren sind ein
signifikanter Beweis hierfür.
Intensiver Preiswettbewerb – Eigene Wettbewerbsfähigkeit
in Gefahr
Deutschlands größte Versorger verlieren in der Energiewende
Milliarden - die Stromriesen müssen mit Sparprogrammen, Jobkürzungen und
alternativen Geschäftsideen gegensteuern. Und die Situation im
Privatkundensegment hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Der Kunde
von heute ist mündiger und anspruchsvoller geworden, er erwartet von seinem
Energieversorger nicht nur ein vielfältiges Tarifangebot, das sowohl preis- als
auch umweltbewusste Kunden anspricht. Ein auf seinen Bedarf hin individuell
zugeschnittenes Angebot soll darüber hinaus noch weitere Mehrwerte liefern. Die
etablierten Energieversorger haben dies mittlerweile erkannt, aber nicht jedes
Stadtwerk oder jeder regionaler Versorger hat die Optimierung interner Prozesse
und die notwendige betriebliche Reorganisation bereits abgeschlossen.
Im Wettbewerb mit den zahlreichen neuen Anbietern im Markt,
die auf Grund schlankerer Vertriebsstrukturen mit günstigeren Angeboten locken,
tut sich die Old Economy der Energieversorger schwer. Das liegt auch daran,
dass viele Anbieter ihr Geschäft durch Online-Tarife erweitert haben und jetzt
bundesweit aktiv sind. Früher hatten Verbraucher üblicherweise ihren
Stromanschluss bei einem lokalen Anbieter. Heute ist das Angebot überregionaler
geworden. Manche Unternehmen versuchen den Kundenverlust im eigenen Gebiet
dadurch auszugleichen, dass sie in anderen Regionen neue Kunden suchen.
Außerdem gibt es Spezialanbieter, beispielsweise für Ökostrom, die einen
besonderen Vertriebsansatz haben. Die Wechselportale im Internet sind ein
Indiz, dass Verbraucher vor allem auf den Preis achten.
Strategisch im Fokus: Kundengewinnung
und Kundenbindung
Eine aktuelle Studie von Ernst & Young in Zusammenarbeit
mit dem BDEW vom Juni 2016[1]
zeigt auf, dass die Energieversorger den Handlungsbedarf in der Kundengewinnung
und -betreuung erkannt haben. Ganz oben auf der Agenda der Vorstände und
Geschäftsführer für das operative Tagesgeschäft stehen daher Absatz, Marketing
und Kundenbetreuung. Mehr als 87% der befragten Entscheidungsträger gaben an,
dass diese Themen besondere Bedeutung in den nächsten zwei bis drei Jahren
haben werden.
Diese Erkenntnis reicht alleine aber nicht aus:
Energieversorger müssen moderne Dienstleister werden, die nicht nur Strom oder
Gas verkaufen sondern auch angrenzende Dienstleistungen anbieten. Smart Home
ist dafür ein gutes Beispiel: Der Kunde kann über eine App den Energieverbrauch
intelligent steuern. Damit wird der Stromverbrauch gesenkt, aber es ist auch
ein Mittel zur Kundenbindung. BAIN & COMPANY[2]
hatten bereits vor einigen Jahren im Rahmen einer Net Promoter Score (NPS)[3]-Studie
vorausgesagt, welche Aspekte ausschlaggebend für eine nachhaltige Kundenbindung
sind: Marke und Image des Versorgers, faire Preise und ein exzellenter
Kundenservice.
Steigende Wechselbereitschaft der
Kunden – nur jeder fünfte Kunde ist loyal
Die Wechselrate in der Energiewirtschaft liegt nach Aussagen
von Branchenexperten bei etwa zehn Prozent, das ist im Vergleich zu früheren
Zeiten für den Energiemarkt schon recht viel. Eine repräsentative Umfrage von PUTZ und
PARTNER[4]
verdeutlicht aber, dass die Dunkelziffer der Wechselbereitschaft der Kunden
weit höher liegt: Rund 24% der Befragten gaben ab, dass sie einen konkreten
Wechsel ihres Stromanbieters planten. Ein Wert, der in den Vorjahren auf
ähnlich hohem Niveau lag und von dem man annehmen muss, dass sich dieser auch für
2016 nicht wesentlich verändert hat. Die Gefahr, Kunden dauerhaft zu verlieren,
wird noch größer, wenn man der Aussage der Kunden glauben darf, dass 64% für
einen spontanen Wechsel ihres Energieversorgers bereit sind. Nur für 21% der Befragten
Kunden kommt laut Studie ein Wechsel ihres Stromanbieters nicht in Betracht.
Die Energieversorger müssen daher versuchen, auf die verschiedenen
Zielgruppen einzugehen. Es gibt zum Beispiel umweltbewusste Verbraucher, die
Ökostrom wünschen und für die ein Ökostromtarif angeboten wird. Manche
Stromanbieter haben aber auch noch weitere Tarife, die etwa eine Verbindung zu
regionalen Sportvereinen aufweisen, im Programm. Andere Versorger unterhalten Kooperationen
mit lokalen Anbietern, die z.B. Vergünstigungen für Produkte aus den Bereichen
Telekommunikation, Handel, Kultur und Unterhaltung beinhalten. Oder sie setzen eigene Kundenkarten ein oder
bieten direkt Produkt-Bundlings zu günstigeren Preisen an. Auf diese Weise
werden vertrieblich verschiedene Kundengruppen angesprochen.
Handlungsoptionen für einen
exzellenten Kundenservice
Den häufigsten Grund für den Wechsel von treuen Kunden liefert
wiederum die Studie von BAIN & COMPANY: ein schlechter Kundenservice, der
dem Kunden keine ausreichende Wertschätzung für dessen Belange entgegenbringt. Internetforen,
Blogs und Social Media sind für einen jeden Verbraucher frei zugängliche
Kommunikationsplattformen, in denen unzufriedene Kunden eine nicht zu
unterschätzende Allianz bilden können, deren ungefiltertes Feedback sich rasend
schnell negativ auf Marke und Image auswirken kann. Im persönlichen
Kundenkontakt wird ein ausgesprochenes Markenversprechen dauerhaft nicht
eingehalten, die Unzufriedenheit des Kunden bleibt unentdeckt - bis er von sich
aus kündigt.
Aber was macht nun einen guten Kundenservice aus? Eine
qualitative Studie der Gesellschaft für Innovative Marktforschung[5] führt hierzu die nachstehenden konkreten
Service-Erwartungen von Privatkunden an: eine überzeugende und authentisch
wahrgenommene Leistungserbringung durch die Mitarbeiter des Energieversorgers,
die sich durch Kompetenz, Freundlichkeit, Schnelligkeit und Individualität im
persönlichen Kundenkontakt auszeichnen. Und dies über alle gängigen
Kommunikationskanäle, sowohl digital per Mail oder via Chat als auch klassisch
über eine Hotline. Dazu zählt im dringenden Bedarfsfall – z.B. bei einem
Stromausfall – auch eine rund um die Uhr verfügbare Notfall-Hotline, die
schnell und unkompliziert Lösungen anbietet.
Die Konsequenz hieraus: Künftig wird für die Energieversorger
kein Weg an einer kundenorientierten Serviceausrichtung vorbeiführen. Die
servicebezogenen Erfahrungen, die Kunden in artverwandten Branchen wie
beispielsweise der Telekommunikation gemacht haben, transferieren diese auf die
Energiewirtschaft und erwarten entsprechende Angebote auch von ihrem
Energieversorger, insbesondere wenn dieser seine Kunden halten und langfristig
binden will.
Lessons Learned in der
Kundenrückgewinnung
Der Entwicklung des Energiemarktes und der
Telekommunikationsbranche weisen seit der Deregulierung ihrer Märkte vergleichbare
Parallelen auf – wenn auch zeitverzögert und mit unterschiedlicher
Geschwindigkeit im Fortschritt. Die in der Telekommunikationsbranche gemachten
Erfahrungen lassen sich dennoch, wenn auch nicht in vollem Umfang, auf die Energiebranche
übertragen.
Das lässt sich am Beispiel der Kundenrückgewinnung
verdeutlichen: Wenn ein Kunde seinen Handy-Vertrag bei seinem Provider kündigt
oder wenn sein Vertrag ausläuft und er sich nicht um eine Verlängerung bemüht, meldet
sich ein auf Kundenrückgewinnung spezialisiertes Team innerhalb weniger Tage telefonisch
bei ihm. In dem Gespräch unterbreitet ein speziell geschulter Mitarbeiter bestimmte
Angebote, um den Kunden dazu zu bewegen, die Kündigung bzw. die
Nichtverlängerung noch einmal zu überdenken. Zu den Angeboten zählen z.B. preiswertere
Tarife, vergünstigte Handy- oder Smartphone-Modelle, Rabatte auf Tarife, Teilnahme
an Sonderaktionen etc.
Bei der Kundenrückgewinnung gibt es keine festen Vorgaben,
die genau besagen, was man dem Kunden im Einzelfall anbieten darf. Der
Mitarbeiter am Telefon kann zwar nicht frei entscheiden, welche Angebote er unterbreiten
kann, innerhalb gewisser Grenzen hat er aber einen gewissen Spielraum. Das
wirkt authentisch und gibt dem Kunden zum Abschluss das Gefühl, ein für ihn
gutes Angebot abgeschlossen zu haben.
Die meisten Telekommunikationsanbieter sind mittlerweile dazu
übergegangen, das Thema Kundenrückgewinnung teilweise oder ganz an einen oder
mehrere externe Dienstleistungspartner zu vergeben, die sich auf das Thema
Kundenrückgewinnung spezialisiert haben. Die hierbei in mehrstufigen
durchgeführten Kampagnen realisierbaren Erfolgsquoten von bis zu 60%
rechtfertigen den Aufwand und das immer mit einer externen Vergabe bestehende
Risiko. Letztendlich überwiegen die wahrgenommenen Chancen und beide Partner
profitieren davon: Energieversorger als auch eingesetzter Dienstleister, der
sich am vertrieblichen Erfolg messen lässt.
Best Practices für Serviceexzellenz
Die Energiewende wird die Energieversorger auch in den
kommenden Jahren vor große Herausforderungen stellen. Die Konzentration auf die
notwendige Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die betriebliche Reorganisation,
die einhergeht mit der Umsetzung regulatorischer Anforderungen und einer
Anpassung von internen Prozessen und IT-Infrastrukturen, werden weiterhin die
beherrschenden Themen sein. Insofern stellt sich die Frage, welchen Wege
Energiekonzerne, Stadtwerke und regionale Energieversorger gehen wollen, um auch
die notwendigen Veränderungen in der Kundenkommunikation zielgerichtet
umzusetzen. Es gibt eine Reihe professioneller Dienstleister im Markt, die sich
dieser Frage angenommen und bereits bewiesen haben, dass ein exzellenter
Kundenservice ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal zur Neukundengewinnung
und Kundenbindung ist.
[1] Ernst
& Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Bundesverband der Energie-
und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW): „Digitale Geschäftsmodelle – Digitalisierung
in der Energiewirtschaft, Stadtwerkestudie Juni 2016“
[2] BAIN & COMPANY, Inc.: „Turning
on utility customer loyalty – NPS survey November 2011”, Whitepaper 2012.
[3] Der Net
Promoter Score (NPS) bzw. Promotorenüberhang ist eine Kennzahl, die mit dem
Unternehmenserfolg (in bestimmten Branchen) korreliert. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Net_Promoter_Score
[4] PUTZ und
PARTNER Unternehmensberatung AG: „Wechselbereitschaft von Stromkunden 2015 –
Bevölkerungsrepräsentative Umfrage vom 07. Januar 2015“.
[5]
Gesellschaft für Innovative Marktforschung: „Optimistischer Blick in die
Zukunft“, Stadtwerkestudie – stadt+werk | 5/6 2015.